,,Müssen
aufpassen, dass durch Wasserball niemand arm wird" Hannoversche Allgemeine
Zeitung 14. Juli 2000
Klartext
Zwei Siege fehlen Waspo
Hannover noch zum erklärten Ziel. Vor fünf Jahren haben
die Lindener ihr Konzept ,,Waspo 2000" vorgestellt.
Durch Förderung des eigenen Nachwuchses ein Spitzenteam
formen - so lautete der Anspruch. Bernd Seidensticker,
der 1993 schon einen Titel nach Hannover geholt hat will
morgen den nächsten Anlauf gegen Spandau 04 Berlin
starten. Mit dem 40-Jährigen Waspo-Trainer sprach unser
Redakteur Norbert Fettback. ,,Müssen aufpassen, dass
durch Wasserball niemand arm wird"
Herr Seidensticker, Sie haben vor fünf Jahren
angekündigt Waspo Hannover werde 2000 deutscher Meister.
Darf man Sie beim Wort nehmen?
Die Chance es in diesem Jahr zu schaffen, war nie so groß.
Das hat nicht unbedingt damit zu tun, dass Spandau 04 als
Serienmeister zuletzt einige Durchhänger hatte. Meine
Jungs sind hoch motiviert, ich musste sie in dieser Woche
beim Training sogar bremsen. Insgesamt sind wir als
Mannschaft gereift und weiter als etwa 1998, als unser
Pokalsieg über Spandau aus deren Sicht eher ein
Betriebsunfall war.
Die Berliner setzen vor allem auf international
erfahrene Spieler, Waspo versucht es seit Jahren mit dem
eigenen Nachwuchs und ist damit nicht schlecht gefahren.
Ist das auch das Konzept für die Zukunft?
Wir haben in Hannover doch gar keine andere Chance.
Spandau 04 hat meines Wissens einen Etat von rund einer
Million Mark, damit kann man schon Spieler locken. Wir müssen
uns Jahr für Jahr mit 100 000 Mark bescheiden, weil es
überaus schwer ist, Partner in der hannoverschen
Wirtschaft zu finden. Wenn es mit der Unterstützung
durch den Olyrnpiastützpunkt nicht so gut klappen würde,
würde es Spitzenwasserball bei Waspo nicht mehr geben.
Andererseits war dieser Tage ein Nationalspieler
wie Sven Reinhardt dabei zu beobachten, wie er tagsüber
im Volksbad Limmer Rasen mäht und Hecken schneidet.
Er muss auf diese Weise versuchen, seinen Lebensunterhalt
zu bestreiten. Weil die deutsche Nationalmannschaft sich
nicht für die Olympischen Spiele qualifiziert hat, sind
die Fördermittel gestrichen worden. Das trifft einen wie
Reinhardt, der sein Studium wegen Olympia für ein halbes
Jahr unterbrochen hat, besonders hart. In Deutschland
kann man durch Wasserball nicht reich werden. Bei Waspo müssen
wir aufpassen, dass durch Wasserball niemand arm wird. Da
haben wir ein Problem.
Wie ist aus Ihrer Sicht die Talfahrt der
deutschen Nationalmannschaft zu erklären?
Beim Qualifikationsturnier in Hannover sind die Deutschen
unter Wert geschlagen worden, die Diskrepanz zwischen
Leistungen in der Auswahl und im Verein war
augenscheinlich. Insgesamt hat das deutsche Wasserball
ein Strukturproblem, angefangen bei der Trainerausbildung
bis hin zur Nachwuchsförderung. Das schlägt durch bis
zur Nationalmannschaft und ist nicht in ein, zwei Jahren
zu beheben. Im Verband scheinen sie jetzt endlich
begriffen zu haben, dass es kein Allheilmittel sein kann,
Nationalspieler mittels Einbürgerung zu rekrutieren.
Was passiert, wenn Waspo Hannover auch im Jahr
2000 Spandau04 nicht das Wasser reichen kann?
Dann greifen wir im nächsten Jahr eben noch einmal an.
Und was erwartet Ihre Mannschaft im Erfolgsfall?
Schulterklopfen und eine ordentliche Feier. Für eine
Meisterprämie fehlt uns leider das Geld.
(14.07.2000)
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