Spandau 04 Schwach
wie noch nie
Claus Vetter
Der Präsident der Wasserfreunde Spandau will nichts
beschönigen. "Das Wasser steht uns bis zum Hals",
sagt Hagen Stamm. Drei von vier Spielen haben die
Berliner in der Halbfinalrunde der Wasserball-Bundesliga
schon vergeigt.
Eine weitere Niederlage am Sonnabend gegen Waspo Hannover
in Hamm, und das Finale wäre für den Titelverteidiger
in weiter Ferne. Die Situation ist ungewohnt für die in
der Vergangenheit so erfolgsverwöhnten Spandauer, die
Aussagen der Betroffenen muten ein wenig widersprüchlich
an. "Die Mannschaft hat einen Knacks", sagt
Stamm. "In der Mannschaft stimmt es absolut",
sagt hingegen Patrick Weissinger, "jeder ist sich
der Lage bewusst."
Trotz derlei Durchhalteparolen, die jüngsten Spandauer
Auftritte bereiten auch Weissinger Kopfzerbrechen, etwa
das 6:8 gegen Rote Erde Hamm am vergangenen Sonntag:
"Wie wir da verloren haben, das war nicht in Ordnung."
Insbesondere bei Über- und Unterzahlspiel war keine
Linie im Spandauer Spiel erkennbar. Der ehemalige
Berliner René Reimann, sonst immer vom derzeit
verletzten Noerbaek bewacht, erzielte auf vier Tore. Nach
dem Spiel, erzählt Weissinger, habe Reimann ihm
offenbart, dass er sich nicht so recht über den Sieg
freuen könne: "Ihr habt so schlecht gespielt."
Ähnlich hatte sich Hannovers Trainer Bernd Seidensticker
bereits in der Vorwoche nach dem 9:4-Spaziergang von
Waspo gegen die Berliner geäußert: "So schwach
habe ich die Spandauer noch nie gesehen."
Die Konkurrenz "lacht" (Weissinger) über den
Meister. Dieser sucht die Ursachen für die Misere.
Weissinger führt das Fehlen von Noerbaek an oder den
Umstand, dass er selbst nach seinem Nasenbeinbruch noch
nicht so gut spielen könne. Dazu komme das Scheitern bei
der Olympia-Qualifikation - neben Weissinger standen auch
die Spandauer Schertwitis, Tschigir, Pohlmann und
Noerbaek im Nationalteam. "Ich habe mich wie ein
Versager gefühlt. Da rückte die Meisterschaft in den
Hintergrund." Weissingers Enttäuschung war so groß,
dass er als Vertreter der Nationalspieler den Wasserball-Vorsitzenden
im Deutschen Schwimm-Verband (DSV), Ewald Voigt-Rademacher,
aufforderte, Bundestrainer Uwe Sterzik, Teamchef Nicolae
Firoiu und Manager Dietmar Helm zu entlassen. "Uns
Spielern geht es um die Zukunft des deutschen Wasserballs",
sagt Weissinger, "da liegt vieles im Argen. Firoiu
muss definitiv von der Mannschaft entfernt werden. Er stört,
ist eine Altlast." Auch Trainer Sterzik sei nicht
Herr der Lage. Stamm, Röhle, Seidensticker und der Ungar
Tamas Farago sind als dessen Nachfolger im Gespräch. Zu
lange habe man tatenlos zugeschaut, wie das Niveau im
deutschen Wasserball nach dem Gewinn der
Europameisterschaft im Jahre 1989 kontinuierlich gesunken
sei. Insbesondere bei der Förderung des Nachwuchses sei
geschlampt worden.
In Spandau bemüht man sich seit einiger Zeit um die
Integration von Akteuren aus dem Nachwuchs. Mit deren
Leistung ist man momentan aber nicht zufrieden. Den
jungen Spieler müsse klar werden, dass sie in der
derzeitigen Situation mehr Verantwortung übernehmen müssten,
sagt Präsident Stamm. Es überrascht, dass ausgerechnet
die Youngster den Karren aus dem Dreck ziehen sollen. Was
ist mit Elke, Schertwitis oder Andruskiewicz? Erfahrene
Akteure, die zuletzt wenig zu überzeugen wussten. "Wir
können da keine Maßnahmen ergreifen", sagt Stamm,
"wir haben keine anderen Spieler. Ich vertraue ganz
auf Peter Röhle, der muss die richtigen Entscheidungen
treffen." Und der Trainer sagt zwar, dass er wisse,
woran es momentan hapere. "Doch jetzt, wo für uns
noch alles möglich ist, möchte ich in der Öffentlichkeit
noch keine Fehler-Analyse betreiben." Freilich,
sollte er sich mit den Erfolgsaussichten seiner
Mannschaft irren, dann werde am Ende der Saison der
Kassensturz kommen.
(Berliner
Tagesspiegel 30.6.00)
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