Bei
der Operation Olympia kämpfen die Wasserballspieler auch
um ihre Zukunft
Wer
das Halbfinale verpasst, verpasst Sydney
VON PETER HESS
FRANKFURT. Wenn die deutsche Wasserball-Nationalmannschaft
so schlecht vorbereitet ist wie der Ablauf der Olympia-Qualifikation
in Hannover, dann hat sie keine Chance auf die Tickets
nach Sydney. Erst drei Tage vor dem Start des am Samstag
beginnenden Turniers konnte der endgültige Spielplan
erstellt werden. Händeringend suchte der internationale
Verband Ersatz für die beiden asiatischen Kandidaten,
denen die Teilnahme aussichtslos und deshalb die Anreise
zu teuer erschien. Frankreich fand sich als
Stellvertreter, aber Moldawien kapitulierte vor den
Schwierigkeiten, kurzfristig ein Team nach Hannover zu
entsenden. Und so spielen nur 15 statt 16 Nationen die
vier Olympiaplätze aus. Halt, es sind fünf. Denn der
schon qualifizierte Afrikameister Ägypten verzichtet
freiwillig auf die Teilnahme in Sydney. Wer sich in
Hannover auf die ,,Karibischen Nächte" freute, wird
auch enttäuscht. Das Rahmenprogramm mit berühmten Sängern
wie Sabrina Setlur fällt aus. Bis zum 28. April waren
nur zwei Karten verkauft worden.
Den echten deutschen Wasserballfreunden sind die niedersächsischen
Nachmittage eh wichtiger. Jeweils um 18 Uhr bestreitet
die Nationalmannschaft ihre Vorrundenspiele gegen die
Slowakei, Kolumbien und Kanada. Die ersten drei
qualifizieren sich für die Zwischenrunde, in der die
Gegner schon feststehen, weil die Vorrundengruppe C wegen
der Absage Moldawiens nur aus drei Teams besteht. Die
Begegnungen von Russland, Kuba und Polen sind dennoch
nicht bedeutungslos. Die Teams nehmen ihre Punkte mit in
die Zwischenrunde. Die ersten beiden dieser sechs
Mannschaf-ten sind nicht nur im Halbfinale, sondern auch
in Sydney dabei.
Und das ist das erklärte Ziel. ,,Wir spielen um unser
Schicksal", sagt Chefbundestrainer Nico Firoiu etwas
pathetisch. Seit 25 Jahren ist der Rumäne für den
deutschen Wasserball tätig, führte ihn zu Triumphen wie
die Europameisterschaft 1981, konnte aber den
kontinuierlichen Abstieg auch nicht verhindern. Bei der
WM 1998 in Perth musste Deutschland erstmals bei einem
großen Turnier zuschauen.
Wenn auch Sydney verpasst wird, werden die Fördermittel
weiter gekürzt. Und dann sind alle ehrgeizigen Pläne
des Wiederaufstiegs in die Weltklasse zum Scheitern
verurteilt. Schon jetzt haben die drei Wasserball-Nationalteams
im Jahr für Vorbereitung, Länderspiele und Fahrtkosten
nur 300000 Mark zur Verfügung. Das Geld für 2000 ist
schon weg. Firoiu und Honorar-Nationaltrainer Uwe Sterzik
haben alles auf eine Karte gesetzt: auf die Vorbereitung
für Hannover. ,,Sollten wir uns qualifizieren, müssten
wir mit den Verbänden um mehr Geld verhandeln",
sagt Firoiu.
Er ist genauso optimistisch für das Gelingen der
Operation Olympia wie Sterzik, der für die
Trainingsarbeit und das Coaching verantwortlich ist ,,Wir
haben uns die Klasse erarbeitet, uns durchzusetzen. Jetzt
müssen wir nur kühlen Kopf bewahren und es auch in den
Spielen umsetzen", sagt Sterzik. Mit der
spielerischen Substanz war das so ein Problem in der
Vergangenheit. Den deutschen Spielern genügte es, für
Bundesliga-Verhältnisse gut zu spielen, durch ihre
Aufwandsentschädigungen ihr Studium zu finanzieren oder
etwas hiuzuzuverdienen. Den Ehrgeiz, im internationalen
Geschäft nach oben zu kommen, hatte kaum jemand.
Sterzik hat es geschafft, mehr Leistungsbereitschaft zu
wecken. Der frühere Nationalspieler und dreimalige
Olympia-Teilnehmer packte die Kollegen und die
Bundesligaklubs bei der Ehre. Noch nie war die
Zusammenarbeit so eng. Von Januar bis April wurden für
die Nationalmannschaft sechs dreitägige Kurzlehrgänge
organisiert Dreimal war Spandau Berlin Gastgeber, dreimal
der Bundesligaklub in Hannover. Den Abschluss bildete
jeweils ein Trainingsspiel. ,,So dass auch die Klubs
profitierten", erklärt Sterzik. Die Zukunft des
deutschen Wasserballs erscheint ihm längst nicht mehr so
düster wie vor einem Jahr, als er die Arbeit begann. ,,Aber
wir müssen nach Sydney".
(Frankfurter
Allgemeine Zeitung 05.05.2000)
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