Italienische
Meisterschaft 2000, Entscheidung Ein Fahnenmeer für Posillipo
- Titelgewinn gegen Florenz - Kásás Superstar
VON DR. GÜNTER SCHWILL
Die Piscina Scandone in Neapel glich einem Tollhaus.
Hunderte begeisterter Fans stürzten sich voll bekleidet
ins Schwimmbecken zu ihren Idolen, als am späten Montag
abend der Schlusspfiff in der italienischen Meisterschaft
ertönte. Die Heimmannschaft Posillipo hatte soeben mit
11:7 (0:2,4:1,2:0,5:4) das fünfte und entscheidende
Spiel gegen den grossen Rivalen RN Florentia gewonnen.
Nun kannte der Jubel keine Grenzen. Die diesjährige
Finalserie "Best of five" hatte die Fans beider
Lager und alle übrigen Zuschauer über Tage hin
gefesselt. Zwei fast gleichwertige Mannschaften boten
Spannung pur: Knappe und wechselnde Ergebnisse, zweimal
Verlängerung und eine Entscheidung durch Golden Goal.
Bis zum Schlusstag war alles offen. 194 Minuten reine
Spielzeit wurden benötigt, bis der Meister gekürt
werden konnte. Das honorierten die Zuschauer, deren Zahl
an den beiden letzten Spieltagen jeweils um 5.000 betrug.
Diese prächtige Kulisse war zusätzliche Werbung für
den Wasserballsport bei den allabendlichen Fernseh-Direktübertragungen.
Es wurde geboten, was heute von einem modernen Kampfspiel
erwartet wird: Schwimmerische Klasse, gute Balltechnik,
Kondition, perfektes Zuspiel, Schüsse aus jeder Position
und Entfernung, Einsatz und Siegeswille, das alles in
einer jeweils gut einstündigen Partie bei 4 x 9 Minuten,
wie sie nur die im Wasserball führenden europäischen
Nationen (Italien, Kroatien, Jugoslawien und Griechenland)
praktizieren.
Florentiner Traumstart
Das Entscheidungsspiel hatte zwei Gesichter. Nicht die
favorisierten Neapolitaner, sondern Florenz kam besser
ins Spiel und führte zu Beginn des 2. Viertels
sensationell mit 3:0 durch Tore von Fodor (2) und
Brazzatti. Torwart Tempesti steigerte seine Form erneut
und verdiente sich bei vier Paraden im 1.Viertel das Prädikat
"Weltklasse".
Doch nach diesem Florentiner Traumstart kam Posillipo und
drehte die Führung durch vier Tore in Folge um (Bencivenga,
Postiglione, Onofrietti und Lisi). Unter dem Jubel der prächtigen
Kulisse stand es plötzlich 4:3 für Posillipo.
Die beiden letzten Viertel gehörten allein einem Spieler,
der zum Superstar dies Matches wurde: Der Ungar Tamás Kásás.
Mit seinem Distanzschuss zum 5:3 schien er den bisher überragend
agierenden Tempesti mürbe geschossen zu haben. "Primo
numero" kommentierte der Fernsehreporter, wohl
ahnend, dass noch mehr folgen sollte. Auch das 6:3 ging
auf das Konto Kásás.
Es dauerte lange, bis Florenz erfolgreich reagierte. Erst
in der 28.Minute, nach etwa zwei Vierteln Torflaute, fiel
der nächste Treffer zum 6:4, wieder durch Fodor, den
Ungarn auf der Gegenseite. Doch ein Fodor mit seinen drei
Toren heute war zu wenig. Durch konsequente Pressdeckung
wirkte der gesamte Florentiner Angriffsschwung wie gelähmt.
Posillipo hatte den Widerstand gebrochen. Kapitän Carlo
Silipo markierte seinen Treffer zum 7:4, dann Kásás zum
8:4, die Entscheidung, und noch einmal Kásás zum 9:4.
"Bellissima Posillipo, grande!" schrie eine
heisere Stimme aus dem Publikum ins Fernseh-Mikrofon.
Noch 4 Minuten. Florenz kämpft verzweifelt um den
Anschluss. Calcaterra und Gorchkov gelingt tatsächlich
eine Resultatsverbesserung auf 9:6, da bricht Kásás
erneut spielerisch durch die Abwehr der Gäste, sein 5.
Tor in diesem Spiel zum 10:6 ist die endgültige
Entscheidung. Spontan verlässt er das Wasser und feiert
seine erste nationale Meisterschaft, umringt von einem
Spieler- und Fanpulk. Zweimal schon war er Europameister
(1997 in Sevilla und 1999 in Florenz), einmal
Weltcupsieger (1999 in Sydney), aber jetzt erst am Ende
seines dritten Jahres in Neapel gewinnt der 23jährige
Ausnahmeathlet seinen ersten Landesmeistertitel.
Trainer Paolo De Crescenzo schickt seine Bankspieler ins
Wasser und auch sie bewähren sich auf Anhieb. Torwart
Lignano zeigt gleich drei schöne Paraden und der Senior
Piero Fiorentino krönt seine Laufbahn mit dem Tor zum 11:6.
Der letzte Gegentreffer zum 11:7 ist nur noch
Ergebniskosmetik und im Freudentaumel kaum noch
registriert worden.
Neapel jubelt und wird die Nacht durchfeiern. Posillipo
eroberte sich aber das wichtige Ticket, um ab Herbst
wieder mit Europas Besten in der Champions League zu
streiten.
Posillipo, zum 9.Mal Meister von Italien:
Bruno Antonino (Tor), Dr.
Francesco Postiglione, Marcello De Georgio, Barnabas
Steinmetz, Tamás Kásás, Daniele Lisi, Roberto Mannai,
Antracite Lignano (2.Torwart), Piero Fiorentino, Raffaele
Onofrietti, Bogdan Rath, Carlo Silipo, Fabio Bencivenga.
Trainer: Paolo De Crescenzo
(06.06.2000)
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