Entwicklungshelfer Dragan Andric
Jugoslawischer Trainer soll Japan zur WM 2001 führen

VON DR. GÜNTER SCHWILL

Die deutschen Wasserballer kennen ihn. 1979 hat er mit Ratko Rudic und anderen Stars von Partizan Belgrad im Berliner Finale Spandaus ersten Europacup-Erfolg verhindert. Das war der Auftakt einer glänzenden Karriere, zu der zwei Olympiasiege (Los Angeles 1984 und Seoul 1988) als absolute Höhepunkte kamen. Nun hat Japan diesen Dragan Andric als Cheftrainer für seine Nationalmannschaft engagiert.

Japan sucht den internationalen Anschluß. Im Jahr 2001 findet im südjapanischen Fukuoka, Austragungsstätte der Universiade 1995, die nächste Weltmeisterschaft statt. Für seine Wasserballspieler hat des "Land der aufgehenden Sonne" mit Andric einen Star-Trainer gewonnen, der das bisher zweitklassige Japan in die Weltspitze führen soll.

Seine ersten Meriten als Trainer verdiente sich Andric bei Catalunya, dem Meisterclub aus Barcelona. Als Spieler 1990 gekommen, wechselte er bald in die Rolle des Spielertrainers. Als Coach hatte er dann sein erfolgreichstes Jahr 1994/95, als er das Europa-Championat (gegen Ujpest Budapest) und auch den Supercup (gegen Vasas Budapest) gewann.

Die Rückkehr nach Jugoslawien vor den Olympischen Spielen von Atlanta vollzog Andric, um seine jugoslawische Nationalmannschaft zu betreuen. Ohne Medaille heimgekehrt, erfuhr er das gleiche harte Schicksal wie sein ungarischer Kollege Dr. György Horkai, er wurde geschaßt!

Bei den Asien-Spielen knapp an einer Medaille vorbei
Reicht die Zeit bis 2001, den großen Abstand zu den Spitzenteams in der Welt zu verkürzen? Wie ist der Wasserball in Japan strukturiert?

Einigen Aufschluß gibt die letzte japanische College-Meisterschaft vom November 1998. Von 21 Universitätsmannschaften setzten sich vier im K.o.-System durch, die dann die Medaillen unter sich ausmachten. Sieger wurde die "Nippon Sport Science University" mit 13:5 im Finale gegen die "Waseda Universität". Die "Chuo-Universität" gewann Bronze durch ein 9:8 gegen die "Sendai-Universität". Danach folgten im Dezember die Asien-Games in Bangkok. Knapp nur verpaßte Japan eine Medaille, und die ausgerechnet gegen den großen Rivalen China. 5:6 ging die entscheidende Partie verloren. Ansonsten konnten sich die Ergebnisse bereits sehen lassen. Neben drei Siegen und einem Unentschieden bei nur zwei Niederlagen wurde Platz 4 unter neun teilnehmenden Nationen belegt. Die Ergebnisse Japans im einzelnen: Gewonnen wurde gegen Kuweit (31:1), gegen Iran (8:7) und gegen Singapur (15:2). Gegen Usbekistan, Asiens Vizemeister, endete die Partie 8:8. Verloren wurde gegen China (5:6) und gegen den neuen Asienmeister Kasachstan, bei dem der Spandauer Spielmacher Alexander Elke überragte, recht deutlich mit 4:12.

Andric baut nicht nur auf einen nationalen Aufschwung dieser Sportart in Japan, sondern erhofft sich zugleich einen Impuls im asiatischen Raum. Im Gegensatz zu seinem früheren Mannschaftskameraden aus Belgrader Zeiten, dem heutigen italienischen Nationalcoach Ratko Rudic, der in Italien auf eine festgefügte Infrastruktur setzen konnte, stieß Andric in Japan allein schon sprachlich auf viel größere Probleme. Englisch als Verkehrssprache ist ein Kompromiß in Japan. Aber die Bereitschaft, lernen zu wollen, zeichnet die Asiaten aus, und ihr Ehrgeiz ist groß.

Davon berichteten seinerzeit übereinstimmend drei deutsche Nationalspieler, die ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Tokyo zu einem sechswöchigen Trainingslehrgang nach Japan eingeladen worden waren. Es waren das damals der spätere Bundestrainer Hans Schepers aus Hamm, Torwart Emil Bildstein aus Ludwigsburg und Friedel Osselmann aus Duisburg, dessen Söhne Karl und Rainer ebenfalls deutsche Wasserballgeschichte geschrieben haben.

Nun also ist Dragan Andric gefordert. Er, der in so renommierten Vereinen wie Partizan Belgrad, Pescara und Catalunya spielte, zehrt vorerst von seinen Erfolgen und von seinem Namen - als Wasserballspieler.
Keine verwandtschaftliche Beziehung besteht zu dem Nobelpreisträger Ivo Andric ("Die Brücke über die Drina"), so wie auch ein weiterer Großer der Trainerzunft, Posillipo-Trainer Paolo De Crescenzo, nicht mit dem gleichnamigen Literaten Luciano De Crescenzo verwandt ist. In ihrem Metier, der hohen Kunst der Wasserballschule, aber leisten sie vergleichbar Beachtliches.

(27.02.1999)


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